Produktbeschreibung
Es mag das verflixte siebte Jahr sein, dass 100 Kilo Herz inzwischen als Band zusammenstehen, doch von "Beziehungskrise" ist 2023 nichts zu spüren. Im Gegenteil: Die Leipziger Musiker, die mit ihrer Soundmelange aus rockigen Gitarren, stets nach vorn treibenden Drums und choral-arrangierten Blasinstrumenten längst ihre Nische gefunden haben, veröffentlichen noch in diesem Jahr ihr drittes Album Zurück nach Hause.
Fast fühlt man sich mit dem neuen Album von 100 Kilo Herz in einen Theater- oder Konzertsaal versetzt, wenn es mit dem ersten Song heißt Lichter aus. Im Raum wird es dunkel, der Vorhang geht auf, die Show beginnt - ohne große Umschweife. Das aber, was folgt, ist keine 90-minütige Zerstreuung, sondern ungeschönte Gesellschaftskritik und die Auseinandersetzung mit dem Selbst. 12 Songs in gewohnt punkiger, rockiger Manier, untersetzt mit Saxophon und Trompete, erzählen von ganz offensichtlichen sozialen Schwachstellen und den Themen unter der Oberfläche. Zurück nach Hause heißt die inzwischen dritte Platte der Leipziger Band, die seit 2016 Punkrock mit klassischen Blasinstrumenten paart.
Während das erste Album von 100 Kilo Herz, Weit weg von zu Hause, Geschichten erzählte vom Aufwachsen auf dem Dorf, von Sehnsucht, vom Kampf gegen bestehende Strukturen, führte die zweite Platte Stadt, Land, Flucht in die große Stadt, wurde politischer. Mit Zurück nach Hause schließt sich beides zusammen, sowohl der Blick in die Vergangenheit, ins Innere, als auch ins Weltliche.
Wo ist jemandes Zuhause und was bedeutet das? Wer einen Ort gefunden hat, an dem er sich wohlfühlt, wer nicht mehr auf der Suche ist, kann den Blick heben und beobachten - das Äußere genauso wie das Innere. "Für mich hat das Album eine klare Zweiteilung", erzählt Sänger Rodi. "Am Anfang stehen die politischen Themen, es geht um den Pflegenotstand (Station 30), um Themen wie häusliche Gewalt." Auch erschütternde Ereignisse, wie die Ermordung von vier behinderten Menschen in einem Potsdamer Pflegeheim, die im Frühjahr 2021 ans Licht kam, verarbeitet die Band auf der Platte. Nicht die Stimme der Opfer möchten die Musiker sein, doch aber ein Sprachrohr, wenn sie "Das richtige Wort" verlangen und über die Musik ihre Wut und Betroffenheit ausdrücken - vor allem darüber, dass dies keineswegs ein trauriger Einzelfall war, sondern vielmehr ein dunkler Fleck in der Struktur ist, der immer wieder verschwiegen und abgetan wird.
Der Titel Keine Zeit für Angst, zu welchem die Band Nicholas Müller von Jupiter Jones mit ins Boot geholt hat, orientiert sich an aktuellen Ereignissen, beschreibt die Wut über das neuerliche Erstarken der rechten Szene in Deutschland. Fassungslosigkeit über rechte Parolen in Parlamenten und scheinbar "normale Bürger:innen", die auf der Straße den Zusammenschluss mit Nazis tolerieren. Der Song ist eine Kampfansage an herrschende Zustände und verlangt Mut und Empörung, um sich dem entgegenzustellen.
An anderer Stelle geht es um die Eintönigkeit, den Trott des Alltags, der sich vielerorts einschleicht, toleriert und sogar verteidigt wird. Und das nennt ihr dann Leben, diese Zeile wird so oft wiederholt, bis man nicht anders kann, als sich zu fragen, ob man sich wirklich zufriedengeben sollte mit dem Gewohnten. Eine Hölle in Pastell reiht sich ein in den schönen Schein, der im Inneren Zerstörendes hervorbringen kann. Für den Song haben sich die sechs Musiker Unterstützung geholt von Amy von der Band Kopfecho.
"Der zweite Teil des Albums beschäftigt sich mit persönlicheren Geschichten. Wir richten den Blick auf das, was in uns und anderen vorgeht. Nicht immer sind es unsere eigenen Erlebnisse, die wir in den Songs verarbeiten, doch sie alle haben eine gewisse Emotionalität gemeinsam." Angefangen mit dem Stück 2694 Tage, das vom Abschied von einem treuen Freund erzählt, von Erinnerungen und von Verlust.
Alleine leuchten drückt das Zusammenspiel des Miteinanders aus, der gesunden Abhängigkeit sowie des Strahlens aus sich selbst heraus. Anders der Titel Spiegel, welcher unverblümt die Selbstaufgabe und das Sich-selbst-Verlieren darstellt. Treibende Drums und fast schon fanfarenartige Tongebilde verleihen Nachdruck und machen dieses halbgare Leben, in welchem es sich immer mehr um die Wünsche der anderen dreht, als um die eigenen, greifbar.
Ohne an Eindringlichkeit zu verlieren, schließt die Band mit dem Song Lichter an, der die Zuhörer:innen auch thematisch nicht von der Angel lässt und Raum für eigene Interpretationen lässt. "Das Feuer, das brannte Tag für Tag, ein Stück verglüht", der Vorhang geht zu, der Saal leert sich, die Show ist vorbei.
Tracklist: 01. Lichter aus 02. Station 30 03. Eine Hölle in Pastell (feat. Amy Vialon / Kopfecho) 04. Keine Zeit fürr Angst (feat. Nicholas Müller) 05. Und das nennt ihr dann Leben 06. Das richtige Wort 07. 2694 Tage 08. Ohne Worte 09. Allein leuchten 10. Spiegel 11. Brocken. Pflaster. Steine 12. Lichter an
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